Hallo Bücherwurm,
kommen wir doch diese Woche mal, zu einem sehr persönlichen Thema. Wir beide wären schließlich nicht hier, wenn ich keine Geschichten schreiben und das ganze auf Social Media teilen würde. Aber wir sind hier und ich hoffe, du hast daran genauso viel Spaß wie ich. Vielleicht hast du dir aber auch schon mal die Frage gestellt, warum ich überhaupt Geschichten schreibe? Es gibt immerhin noch viele andere Hobbys mit denen man sich die zeit vertreiben kann. Warum also das?
Wie viele andere wahrscheinlich auch, hatte ich in der Grundschule meine ersten Berührungspunkte mit dem geschrieben Wort. Von Anfang an fand ich es super, wenn wir zu vorgegeben Themen eine Kurzgeschichte schreiben sollten und mochte es, sie meiner Familie zu zeigen und dafür gelobt zu werden. Ich erinnere mich bis heute eine dieser Geschichten, in der es darum ging, dass ein Kind in der Schule gemobbt wird und dann in eine Parallelwelt gezogen wird. Dort findet es zum ersten Mal Freunde. Als es sich dann entscheiden muss, in welcher Welt er bleiben will, entscheidet er sich für die Parallelwelt.
Dazu war ich auch schon als Kind voller Fantasie und hatte unsichtbare Freunde und Tiere mit denen ich gespielt habe. An Ideen hat es mir also nie gemangelt! Aber richtige eigene Geschichten habe ich mir erst viel später ausgedacht, da war ich 14 oder 15 Jahre alt. Der Auslöser war vor allem, dass ich in der Schule immer schon gemobbt wurde und sehr viel Zeit allein verbracht habe. Dadurch habe ich mich in meinen Kopf geflüchtet und damit es da, nicht auch so scheußlich ist wie außerhalb, habe ich den Raum gefüllt. Angeleitet hat mich dabei meistens Musik. Sie hat Wörter für mich lebendig gemacht und mich gleichzeitig vor Ablenkung durch die Außenwelt geschützt.
Diese Geschichten, die dabei dann entstanden sind, habe ich als Kopfgeschichten bezeichnet und sie liefen wie ein Film vor meinem inneren Auge ab. Manche waren ganz kurz und haben gerade mal gereicht um den Heimweg zu überbrücken und andere haben mich über mehrere Wochen beschäftigt. Das ging sogar so weit, dass ich an manchen Tagen mit geschlossenen Augen einfach nur im Bett lag und meine Kopfgeschichte "gelesen" habe.
Hin und wieder habe ich versucht das alles auch mal aufs Papier zu bringen. Da war ich aber oft enttäuscht, weil ich es nicht so gut in Worte fassen konnte wie es in meinem Kopf aussah. Aber ich hab nicht aufgegeben und es immer wieder versucht, bis ich immer mehr ran kam und mittlerweile fällt es mir auch deutlich leichter.
Teilweise war das mit den Kopfgeschichten aber auch sehr schlimm für mich, da es mich von den Realität getrennt hat. Ich konnte Gesprächen nicht folgen, mir nichts merken und habe Kontakte vernachlässigt um mich in meine Gedanken zu flüchten. Der Rückzugsort wurde zur Gewohnheit und das Abschotten immer mehr zum Normalzustand. Das besserte sich aber tatsächlich, als ich immer mehr und öfter versucht habe die Geschichten aufzuschreiben. Je mehr ich schreibe, desto weniger Kopfgeschichten bleiben übrig und das ganz ohne Ideenflaute.
Auch heute habe ich noch manchmal Kopfgeschichten laufen, kann sie aber besser kontrollieren und auch unterdrücken. Besonders heute, wo ich halbwegs regelmäßig schreibe, bin ich mehr Teil der Realität als je zuvor. Was ein bisschen Kurios ist, wenn man bedenkt, dass ich vor allem über fremde Welten schreibe.
Also letztendlich ist die Antwort darauf, weshalb ich schreibe ganz einfach: Es ist meine Art mit dem Chaos in meinem Kopf umzugehen und es bedeutet mir so viel, dass ich bereit bin, dafür meinen Safe Space zu verlassen. Zudem ist es eine gute Möglichkeit um meine Verletzungen und Traumata zu verarbeiten. Wer in meinen Geschichten aufpasst, dem fällt vielleicht auf, dass Väter oft entweder abwesend oder negativ konnotiert sind. Aber auch, dass die Bücher gerne sehr fröhlich und lustig anfangen und dann, ab einem gewissen Punkt sehr düster werden. Das liegt daran, dass ich es aus der Realität nicht anders kenne. Heißt, wenn du meine Geschichten ließt, lernst du mich besser kennen, als bei jedem Gespräch!
Und damit wünsche ich dir einen schönen Tag und wir lesen uns beim nächsten Mal.
Dein Jerry