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[☆021] Tanz im Mondlicht - Kurzgeschichte aus einer Anthologie

Hallo lieber Lesestern,


mir ist aufgefallen, dass ich hier schon länger keine Kurzgeschichte mehr hochgeladen habe. Und ich dachte mir, dass es schön wäre dir mal wieder eine mitzubringen. Die Geschichte heißt "Tanz im Mondlicht". Sie wurde vor einigen Jahren in der Anthologie "Stiller Mond, Gefährte der Nacht" vom Pohlmann Verlag unter meinem Deadname veröffentlicht. Ich bin wahnsinnig stolz drauf, weil das meine erste Geschichte war, die irgendwo abgedruckt wurde!


Ich hab sie nicht nochmal überarbeitet, auch wenn ich heute manches anders schreiben würde. Aber sie zu ändern bring ich nicht übers Herz <3 Hoffentlich gefällt sie dir trotzdem. Schreibts mir gerne unten in die Kommentare, ich würd mich freuen :D


In der Anthologie stehen auch noch viele weitere wundervolle Geschichten und Gedichte von tollen Autor*innen. Falls du also, so wie ich, ein Fan vom Mond bist, dann kann ich nur empfehlen da mal reinzulesen. Es gibt auch einen zweiten Band, weil damals so viele tolle Geschichten eingereicht wurden, dass ein Buch allein nicht gereicht hat.

Das ist kein Produktplacement, ich krieg nichts für die Werbung, verdien auch nicht an den Buchverkäufen und mein Buchexemplar hab ich selbst gekauft. Nur falls einer fragt ;)


Ich wünsche viel Spaß beim lesen!

Dein Jerry


Frau tanzt unter dem Mond

Tanz im Mondlicht

Ein Maskenball. Es war ihr erster. Sie stand am Rande und sah sich unauffällig um. Im Gegensatz zu den anderen Besuchern, kam sie allein zu diesem Event. Niemand war an ihrer Seite, mit dem sie tanzen konnte. Oder sprechen. Und zu schüchtern war sie, um sich den anderen Menschen zu nähern. Selbst mit Maske stellte es sich als unüberwindbares Hindernis dar, die Tanzenden anzusprechen. Sie ließ ihren Blick über die tanzenden Figuren schweifen. Still bewunderte sie die Kleider der Damen und deren Eleganz. Nie würde sie so sein wie diese vor Schönheit leuchtenden Ladys. Sie war ganz anders, eher düster und unscheinbar und selbst mit Partner wäre es ihr nicht möglich mitzutanzen. Denn sie hatte nie gelernt, wie man sich zur Musik bewegt.

Ihr Blick glitt weiter. Nun über die Herren. Gekleidet in Anzügen, einer Anmutiger als der andere, buhlten sie bei den Damen um deren Gunst. Wer von ihnen würde am Ende wohl gewinnen und mit der Schönsten aller Damen tanzen?

Dann fiel ihr Blick auf einen Mann, der ganz anders als die anderen war. Still betrachtete er die Personen, die sich um ihn herum tummelten. Er tanzte nicht und wirkte auch sonst nicht so, als wäre er geistig am selben Ort wie er es körperlich war. Lange lag ihr Blick auf seiner Erscheinung. Er schien sie jedoch nicht zu bemerken. Eine junge Frau war es letztlich, die sie dazu brachte, ihren Blick unauffällig abzuwenden. Denn diese Frau sprach den Mann an und brachte ihn ins Hier und Jetzt zurück, etwas was sie sich nicht getraut hatte. Verschämt wendete sie sich von dem Bild, das sich auf der anderen Seite des Saales abspielte, ab und verließ schließlich mit gesenktem Haupt den Ballsaal.

Ihre Beine trugen sie wie von selbst fort. Während die Gedanken in ihrem Kopf zu kreisen anfingen. Und je weiter sie ging, desto schneller wurde sie. Ihre Beine fingen an zu joggen, dann zu laufen und schlussendlich zu rennen. Wie von einer unsichtbaren Macht besessen, rannte sie und rannte. Ewig schienen ihr die Gänge des Schlosses zu sein und erst als ihr die kühle Nachtluft entgegenkam, merkte sie, dass sie dabei war das Gebäude zu verlassen. Doch waren ihre Gedanken nicht dazu imstande, diese Information zu verarbeiten. Was war es nur was sie zu diesem Mann hinzog? Was war es nur, was sie nun so leer fühlen lässt? Was war es nur, was sie nun von ihm Hinweg führte?

Sie rannte einen Hang hinab und fing an zu schreien. Nicht wissend wieso, aber es befreite sie von dem Schmerz in ihrem Innersten. Längst war ihr Gesicht von unzähligen Tränen benetzt, sie fielen stumm zu Boden und ließen Blumen der Verzweiflung sprießen. Ihre Beine trugen sie weiter in einen tiefen und dunklen Wald. Nie wäre sie freiwillig hinein gegangen. Doch ihren Beinen war dies egal. Sie führten das schreiende und weinende Mädchen zu einer Lichtung tief im Innersten des Waldes. Erst dort in der Mitte blieb sie stehen und nahm zum ersten Mal, seit sie den Ballsaal verlassen hatte, ihre Umgebung wieder bewusst wahr.

Doch wo war sie und wie kam sie hierher?

Sie blickte sich um und bemerkte erst jetzt, dass sie, wie es schien ihre Schuhe und die Maske unterwegs verloren hatte und auch ihr Ballkleid fehlte wundersamerweise. Nur in ihrem weißen Unterkleid steht sie verloren auf dieser einsamen und dunklen Lichtung, als sich über ihr der Mond den Weg über die Baumwipfel frei kämpfte und schließlich die Lichtung in ein sanftes silbernes Licht umhüllte. Ihre vom weinen geröteten Augen richteten sich in den Himmel. Für einen Moment, so schien es ihr, versuchte der Mond mit seinem sanften Licht ihr Herz zu trösten. Es war als würde er ihr mit federleichten Küssen die Tränen und die Verzweiflung vom Gesicht streicheln. Eingehüllt in die liebevolle Umarmung des Mondes, spürte sie weder Kälte noch Schmerz.

Ihre Augen schlossen sich und sie vertraute sich ihrem stummen Gefährten an. Nicht mit Worten. Die Sprache, die ihre Seele spricht, ist eine die nicht in Worte gefasst werden kann. Und als sie alles von sich abgeladen hatte, was ihre Seele beschwerte und ihr Innerstes schmerzen ließ, fingen ihre Beine wieder an, sich selbstständig zu machen. Auch ihre Arme machten mit und so fing sie an, sich anmutig im silbernen Licht zu bewegen.

Aus leichten Schritten wurde ein Tanz, so atemberaubend wie der Mond selbst. Sie tanzte für ihn. Stunde um Stunde verging dabei. Sie merkte nicht, wie die Nacht langsam weiterzog. Erst als die Lichtung wieder einsam und dunkel schien, hörten ihre Beine auf. Sehnsüchtig blickte sie empor, doch der Mond war längst nicht mehr zu sehen. Ein Knacken im Geäst ließ sie sich umdrehen.

Dort, in der Dunkelheit, stand ein Mann. Der Mann. Er schritt langsam auf sie zu. Ihre Augen fragten ihn, wie er sie finden konnte, zu sprechen wagte sie nicht. Es käme ihr so vor, als würde sie damit die Magie, die über der Lichtung lag, zerstören. Doch der Fremde verstand sie auch so. Seine eigenen Augen sahen hinauf in den finsteren Himmel und dann zurück zu ihr. Es war der Mond, der ihn führte. Der ihm erzählte, dass dort im tiefen Wald jemand auf ihn warten würde.

Mit vorsichtigen Schritten ging der Mann weiter auf sie zu. Vor ihr angekommen, hielt er ihr eine Hand hin. Ein schiefes Lächeln zierte sein Gesicht. Sie ergriff seine Hand und für einen Moment hatte sie erneut das Gefühl, im silbernen Mondlicht zu stehen. Sanft zog er sie in die Mitte der Lichtung und begann damit sie zu führen. Beide bewegten sich zu einer Melodie, die nicht hörbar war. Doch sie spürten sie tief in ihrem Innersten.

So tanzten sie und tanzten, solange bis der Mond sich sicher war, dass sie von nun an auch ohne ihn klarkommen würde. Mit einem letzten Blick auf die Lichtung, verschwand der stumme Gefährte der Nacht am Horizont und überließ es seiner Liebsten, der Sonne, über seine Kinder zu wachen.




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