Hallo lieber Lesestern, ich hab vor einiger Zeit bei der einen oder anderen Kurzgeschichten Ausschreibung mitgemacht. Da eine davon jetzt abgelehnt wurde, dachte ich mir, bevor die bei mir auf dem Rechner verstaubt und sich irgendwann selbst löscht, teile ich sie mit euch.
Die Idee zur Geschichte hatte ich schon länger und ich finde sie auch nachwievor richtig gut gelungen.
Vielleicht gefällt sie dir ja besser als der Jury 😂 Schreibs mir gerne unten in die Kommentare!
Ich wünsch ganz viel Spaß beim lesen! Dein Jerry
Auch in der Dunkelheit gibt es Licht
Die Luft ist durchtränkt von Trauer und Schmerz. Aufgewirbelter Staub legt sich auf die Häupter der Verletzten, der Toten und der wimmernden Lebenden. Unersättliches Feuer verschlingt Häuser und Menschen. Überall dort, wohin die heißen Klauen greifen, bleibt nichts als Asche und Leid zurück.
Schreie der Verzweiflung gellen über den zerstörten Hauptplatz, zwischen den Häusern hindurch, bis in die letzte Ritze des Dorfes und reißen dabei den Überlebenden das Herz entzwei. Der Verlust ihrer Liebsten und ihrer Heimat schwebt über ihnen wie ein Damoklesschwert.
Die Gedanken nach dem Warum sind längst verstummt. Sie sind nicht mehr wichtig, denn all das erscheint den Menschen nun ohne jede Bedeutung. Die Antwort zu kennen würde nicht helfen und niemanden retten.
In einer der brennenden Hütten kniet ein alter Mann. Seine Tränen wurden längst von der Hitze des Feuers getrocknet. Ein letztes Mal wiegt er seine verstorbene Liebste in den Armen. Obwohl sie aussieht, als würde sie nur schlafen, weiß er genau, dass seine Frau nie wieder ihre strahlend blauen Augen öffnen würde. Feuchte Spuren seiner Trauer zeichnen ihr erstarrtes Gesicht nach, wie in den Staub auf ihrer Wange gemeißelt und für die Ewigkeit festgehalten.
Ein trockenes Schluchzen entkommt seiner Kehle. Dann erhebt er sich, tritt aus dem Gebäude hinaus auf die Straße und richtet seinen leeren Blick auf die Ursache für all diesen Schmerz.
Hoch über dem Dorf ragt eine finstere Gestalt auf. Dem Mann selbst fehlen die Worte, um es zu beschreiben. Ihm fällt einzig die Bezeichnung des puren Bösen ein. Es mag zwar keine physische Form haben, doch es sorgt für nur allzu realen Schaden. Kaum einen Wimpernschlag hat es gebraucht, um ihrer aller Leben für immer zu zerstören. Mit einem Ärmel wischt der Mann sich über das Gesicht, verschmiert den Ruß mit seinen Tränen und wankt dann näher auf das Ungetüm zu.
“Gebt auf und unterwerft euch! Kein Held wird kommen, um euch zu retten.”, brüllt die finstere Gestalt.
Ein Wimmern brandet durch die zerstörten Hütten. Die Worte überraschen niemanden, ihnen ist die aussichtslose Situation durchaus bewusst. Sie warten bereits sehnsüchtig auf das Ende, in der Hoffnung, sie könnten so dem Schmerz entgehen.
“Wir brauchen keinen Helden.”
So stolz und unnachgiebig, wie es sein schiefer Rücken zulässt, stellt sich der alte Mann vor die Kreatur.
“In einer Welt wie dieser wird niemand kommen, um uns zu retten.”
Er wendet seinen Blick ab und ruft mit krächzender Stimme zu seinen Freunden und Nachbarn: “Wenn wir nicht aufstehen, werden wir untergehen. Wir sind es unseren Lieben schuldig, es zumindest zu versuchen.”
Verängstigt starren sie ihn an, doch keiner steht auf. Stattdessen verkriechen sie sich noch weiter hinter den Verstorbenen, verstecken sich in ihren verbrannten Häusern und unter dem Schutt.
Zitternd ballt der alte Mann seine Fäuste und betrachtet wieder das Ungeheuer. Er blickt ihm dabei tief in die Augen und kratzt alles an Mut zusammen, was er in seinen maroden Knochen finden kann.
“Ich werde nicht aufgeben. Ich werde hier bleiben und für meine Heimat kämpfen, oder dir zumindest im Weg stehen! Du kannst mir nichts mehr nehmen und ich werde nicht zulassen, dass du diesen guten Leuten schadest!”
Wahllos greift er nach einem Holzbalken und wankt drohend auf die sardonisch lachende Gestalt zu. Doch weit kommt er nicht, da wird er von einer zierlichen Hand aufgehalten. Eine Frau aus dem Dorf hält ihn fest. Ihr Blick ist dabei starr geradeaus gerichtet und ihr Mund verkniffen. Ohne etwas zu sagen, nimmt sie ihm das Holzbrett aus der Hand und stellt sich vor ihm auf.
Ihr staubiges und blutverschmiertes Kleid mit dem schönen Sonnenblumenmuster weht dabei leicht im Wind. In der flammenden Hölle wird sie zu seinem Lichtblick, auch wenn die junge Frau kaum mehr ausrichten kann als er selbst.
Und dann treten weitere Dorfbewohner vor, und bleiben alle mindestens einen Schritt vor dem alten Mann stehen. Sie bilden eine Mauer zu seinem Schutz und würdigen seinen Mut.
“Wir geben nicht auf!”, brüllt die junge Frau gegen die züngelnden Flammen an und erntet ein amüsiertes Lachen. Dennoch stellen sich die Menschen nun vereint dem Kampf.
Der alte Mann blinzelt die aufkommenden Tränen fort. Angestrengt starrt er zum Horizont, an dem sich die Sonne zu einem weiteren Tag mit neuer Hoffnung erhebt. Sie werden siegreich sein, für jene, die nicht mehr kämpfen können, für jene, die sie lieben. Und sie werden gemeinsam überleben.
Dafür brauchen sie keinen Helden, nur jemanden der den ersten Schritt wagt und genug Mut um zu folgen.