[☆003] Die Zwerge - Verschüttet - Kurzgeschichte
- Jeremy
- 1. Sept. 2022
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 2. Aug. 2024
Hallo lieber Lesestern,
endlich geht es weiter mit der Geschichte rund um die Zwerge Tugah und Ruguru.
Zuletzt hatte Ruguru eine fantastische Entdeckung in der Mine gemacht und von den süßen Fischbiene neuen Honig bekommen. Endlich können die Zwerge wieder genüsslich ihr Met saufen, oder?
Auch heute war es wieder eine etwas freiere Auslegung was das Thema angeht und dann auch noch mit einem fiesen Cliffhänger. Ich hoffe niemand steinigt mich dafür 🙈
Vielen Dank nochmal für die vielen tollen Rückmeldungen zu meinem Protastik Beitrag letzte Woche ❤️ ich würde mich auch diesmal wieder wahnsinnig über Feedback freuen 😊
Dein Jerry

Verschüttet
Ein Luftzug weht durch den finstren Minenschacht. Unangenehm macht sich die Kälte auf Tuaghs Haut bemerkbar. Kriecht ihm unter die Kleider und lässt ihn frösteln. Das Pfeifen des Windes kratzt nah an seiner Geduld. Ebenso der spitze Stein, der ihm unangenehm in den Po pikst. Zudem schmerzen ihn sein Kopf und sämtliche Glieder. Tief seufzt er auf.
Der Tag hatte so vielversprechend angefangen. Er war am Meer angeln und hatte lange vor dem Mittag einige Kilo Fisch beisammen. Danach plante er, sich bei einem großen Schluck Met mit Jarig beim Armdrücken zu messen. Das Schwergewicht von Zwerg gilt bei ihnen als amtierender Meister dieser Sportart. Trotzdem versucht Tuagh es hin und wieder, er ist schließlich geduldig. Eines Tages wird Jarig einen Fehler begehen, schlecht schlafen oder er bleibt aus Versehen mal nüchtern. Jedenfalls wird er die Chance nutzen und den kräftigen Freund besiegen. Doch so weit kam es an diesem Tage gar nicht.
Der Gasthof seiner Base war vollkommen überfüllt. Der Bärtige hatte gleichwohl den Geburtstag des Dorfschulzen vergessen. Die ganze Insel war dafür zusammen gekommen und feierte ausgelassen. Daher beschloss er, durch den Hintereingang in die Küche zu schleichen, sich Alkohol zu holen und wieder zu verschwinden.
Doch kaum durch die Tür getreten warf sich auch schon Ruguru auf ihn.
“Du musst mir helfen!”, kreischte sie, “Ich hab bald keine Emascair mehr. Eigentlich wollte ich noch welche holen, aber es kam so viel dazwischen!”
Normalerweise ist die sommersprossige Frau die Ruhe selbst. Doch fehlender Met sorgt bei ihr immer schnell für Panik. Im Speziellen auf großen Feiern.
“Ich würd dir ja helfen, aber du weißt, dass ich Geburtstagsfeiern nicht mag.” Vorsichtig schob er sie von sich.
“Das weiß ich, du sollst ja auch nicht hier helfen.”
Verständnislos starrte er sie an bis es klickte. Im gleichen Moment flog ein Krug durch die Küche und zerschellte in tausend Scherben.
“Ich zähl auf dich!”, rief Ruguru und eilte davon, um demjenigen der ihre Sachen mutwillig zerstört die Ohren lang zu ziehen.
Der Bärtige sah ihr nach und seufzte. Er nahm einen der Tonkrüge und wanderte in Richtung Mine. Ihm ist die junge Frau einfach zu wichtig, um sie in solch einer Situation hängen zulassen. Zudem ist mit dem Zorn der Zwerge nicht zu spaßen.
So trieb es ihn ohne Zögern in das Innere der dunklen Höhlen. Ruguru hatte ihm den Weg erklärt. Dennoch fiel es Tuagh schwer, in der verwinkelten Mine den Überblick zu behalten. Die Kristalle beleuchteten ihm den Weg, nur befürchtet er, dass es von Anfang an nicht der Richtige war. So kam es, wie es kommen musste, und er verirrte sich. Als er zum dritten Mal in einer Sackgasse stand, weit entfernt von jedem Nahla und noch weiter von seinem wohlverdienten Feierabend, verging ihm die Lust endgültig. Genervt beschloss er, die Höhlen hinter sich zu lassen.
“Soll Ruguru doch selbst sehen wie sie an ihren Honig kommt ...”
Nur stellte er fest, dass er den Rückweg nicht mehr fand. Das Gesicht zu einer Grimasse verziehend und so geduldig wie ein Zwerg eben ist, warf er den Eimer kraftvoll gegen die Wand. Dabei traf er einen morschen Stützbalken.
Ein Donnern und Krachen grollte durch die Insel. Brachte selbst die Stadt zum Wackeln. Bebend stürzten die Gänge um Tuagh herum zusammen. Begruben ihn unter Schutt und Erde. Ihm blieb nicht einmal genug Zeit zum Fluchen.
Nach einer Weile wachte der Zwerg wieder aus seiner Bewusstlosigkeit auf. Einer der Steine hatte ihn übel am Kopf getroffen und ausgeknockt. Er probierte gegen die Dunkelheit anzublinzelnd, um etwas zu erkennen, doch in der Mine blieb es stockduster. Keiner der Kristalle leuchtete mehr.
Derweil spürte er Blut aus einer Kopfverletzung sickern. Um den Schaden besser einzuschätzen, wollte er nach der Wunde tasten. Seine Hand jedoch steckte zwischen den Felsen und rührte sich nicht.
Finster starrte er vor sich hin. Er wusste, allein würde er die Steine nicht wegbekommen. Die Gefahr, dass er bei einem zweiten Rutsch zerquetscht würde, war zu groß. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als geduldig zu warten. Gefangen in der Mine und unter einem Haufen Schutt. Gemeinsam mit seinem ganz persönlichen Erzfeind, der Hilflosigkeit.
Es erscheint ihm bereits nach wenigen Minuten wie ganze Stunden, die er nun dort sitzt, unfähig sich zu bewegen. Zwischen die Steine geklemmt, als wäre er der Mörtel um sie beisammen zu halten, der Stille lauschend, in der Hoffnung, er würde Schritte hören. Doch außer dem pfeifenden Wind vernimmt er nichts. Dafür weht ihm der garstige Luftzug den Geruch der Emascair in die Nase. Dadurch ausgelöst breiten sich düstere Gedanken in ihm aus.
Ob mich schon jemand vermisst? Die anderen Zwerge feiern und sie wissen, dass ich kein Fan von Geburtstagen bin. Sie werden mich nicht suchen kommen. Nicht vor morgen Mittag, wenn wieder alle halbwegs nüchtern werden. Und Ruguru? Sie könnte annehmen, dass ich mich in eine ruhige Ecke verzogen habe, ihr die Hilfe verweigernd. Sie wird unheimlich sauer sein und mich allein deswegen schon nicht suchen kommen.
Unfähig etwas zu unternehmen, breiten sich die Kopfschmerzen weiter aus. Sämtliche seiner Bewegungen werden durch die Felsen unterbunden. Zu eng und zu schmerzhaft. Hilflos eben, wie ein Neugeborenes. Tuagh verabscheut dieses Gefühl. Er ist der geborene Kämpfer.
Hier nun festzusitzen, ist das Schlimmste, was ihm hätte passieren können. Geduldig da zu liegen und zu warten, in der Hoffnung, dass irgendjemand nach ihm suchen würde. Ihn finden würde. Lieber stellt er sich einem Riesen entgegen oder einer wütenden Zwergin, was beides auf demselben Level von Größenwahn liegt. Doch in einem Kampf weiß er, wie er wieder heil aus der Sache rauskommt. Hier ist er darauf angewiesen, dass irgendjemandem auf dieser Insel auffällt, dass er nicht da ist.
Langsam entschwindet ihm das Bewusstsein. Wandelt von der einen Dunkelheit in die andere über. Doch dort muss er sich wenigstens nicht mit den Schmerzen und der Hilflosigkeit auseinandersetzen. Die sich nähernden Schritte nimmt er schon gar nicht mehr wahr. Genauso wenig wie das Flüstern, das durch die ewig scheinenden Minenschächte vibriert.
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